Lage[]
Der Schlechinger Ortsteil Raiten liegt in einer exponierten Lage. In Richtung Südosten (gen Unterwössen) zweigt das Wössener Tal ab und in Richtung Südwesten (nach Schleching) verläuft das Tal der Tiroler Ache weiter, das schließlich einen direkten Zugang nach Tirol bietet. Aus diesem Grund zweigen hier auch die Straßen über Schleching nach Kössen und die ebenfalls wichtige Strecke über den Masererpass nach Reit im Winkl ab. Wenn man von Süden - aus Richtung Schleching - kommt, gelangt man nicht weit hinter Raiten auf die wichtige Bundesstraße 305, auf die Deutsche Alpenstraße.
Ortsbeschreibung[]
Der Ort ist größtenteils an die vier Bauernhöfe im Ort herangebaut. Die Kirche trägt den Namen "Maria zu den sieben Linden" und ist ein von außen unscheinbares Gotteshaus, das über dem Ort am Hang liegt. Unterhalb des Dorfes beginnt ein Moorgebiet, das unter dem Namen Mettenhamer Filz bekannt ist. Im Norden wird Raiten von einem anderen Moorgebiet begrenzt - dem Lanzinger Moos. Im Ort wohnen etwa 200 Menschen.
Sehenswürdigkeiten[]
Wallfahrtskirche Maria zu den sieben Linden[]
Das Langhaus der Wallfahrtskirche Maria zu den sieben Linden stammt aus dem 12. Jahrhundert und liegt inmitten eines Bergfriedhof mit schmiedeeisernen Grabkreuzen. Der Name der Kirche wurde von den Lindenbäumen und ihrer Anzahl her abgeleitet, die noch immer um den Kirchbichl stehen. Die Reste des Wehrturms im heutigen Langhaus gehörten wohl zu einem ehemaligen Burgfried (Größe der heutigen Reste im Langhaus: 3,2m * 5m) und das an ihm angrenzende Langhaus bildete im 12. Jahrhundert die Burgkapelle - die Baugeschichte ähnelt der Kirche von Urschalling in diesen Punkten. Im 15. Jahrhundert (1440) wurde der östliche Chor und die Sakristei angebaut, um 1500 wurde an die Sakristei ein Beinhaus errichtet. Die Erneuerungen machten eine Neuweihe nötig, die am 2. Mai 1511 der Bischof des Bistums Chiemsee Berthold Fürstinger vollzog. Das 17. Jahrhundert brachte für die kleine Kirche viele Veränderungen mit sich:
1640 Vergrößerung der Fenster im Langhaus
1640 Neuer aus der Pfarrkirche Grassau stammender Seitenaltaraufbau 1643 Neuer Hochaltar-Tabernakel 1662 Neuer Hochaltar 1689 Größere Chorfenster und Pflasterung mit Ziegeln 1690 Einzug von Holzdecke und einer Empore und Reduzierung der Mauerstärke 1692 Neue Kirchenbänke 1696 Der bis dato als Turm dienende ehemalige Burgfried wird bis auf die Höhe des Kirchendaches wegen Einsturzgefahr abgebrochen und das Kirchendach entsprechend verlängert
Die letzte große Veränderung am Bild der Kirche von Raiten wurde im Jahre 1700/02 mit dem Bau des Turmes an die Westseite vollzogen. Die Baumeister waren der Maurer Michael Steindlmüller aus Staudach und der Zimmerer Georg Aigner aus Piesenhausen. Restauriert wurde das Gotteshaus 1942 und zuletzt 1969. Eine große Innen- und Außenrenovierung erfolgte in den Jahren 1983 bis 1993. Der Turm wurde zuletzt im Jahre 1997 renoviert.
Der heutige Eingang ist den Turm an der Südseite bzw. am Langhaus ebenfalls an der Südseite. Außen an der Kirche fällt besonders die gezimmerte Laube um den Chor auf und die so genannten Osen an der Südseite, ein weitvorragendes Vordach auf Holzstützen. Im Innern gibt es einige bauliche Besonderheiten, wie zum Beispiel die Treppe von der Empore ins Dachgeschoss, die noch aus den Zeiten des Burgfrieds herrührt. 1948 entdeckte man Fresken aus der Erbauungszeit im Chorschluss und am ehemaligen Mittelfenster vier Wandmalereien mit den Heiligen Barbara und Agnes, sowie Albertus Magnus und Nikolaus jeweils unter Baldachinen, die um 1430 (nach anderen Angaben: um 1450) entstanden sein sollen. Ebenfalls entdeckte man einen Ornamentfries aus der Zeit um 1440, vermutlich von einem Meister im Umkreis des Salzburgers Conrad Laib, welcher vermutlich auch an der Ausmalungen der Streichenkirche mitwirkte. Der Hochaltar von 1662 ist von Thomas Huber geschaffen worden. Aus der Mitte (nach anderen Angaben: aus der 2. Hälfte bzw. vom Ende) des 15. Jahrhunderts stammt das Gnadenbild im Hochaltar, eine sitzende gekrönte Muttergottes mit Jesuskind und Apfel ("naiv empfunden") , die erst 1941 restauriert in den Hochaltar eingesetzt wurde und ursprünglich mit Stoff gekleidet war - sie ist etwa 83 cm hoch. Alle übrigen Plastiken am Altar (Engel, Seitenfiguren, Figur von der Heiligen Gertrud von Nivelles etc.) stammen von Melchior Hofmayr. Der Tabernakel ist aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Die Heilige Gertrud von Nivelles war auch die frühere Patronin der Kirche, sie ist die Heilige für in Not geratene Menschen und wird mit einer Maus, wie in Raiten dargestellt, da sich auch vor Mäuseplagen schützen sollte. Seitenaltar um 1780 (nach anderen Angaben 1750) mit Kopien (1979) von drei Figuren nach Melchior Hofmayr um 1662. Die Verkündigungsgruppe an der Südwand stammt aus der Mitte des 18. Jahrhunderts (Engel ebenfalls Kopie). Kanzel von Balthasar Fröhl 1852 für die Kirche von Pietzenkirchen geschaffen. Chorbogenkreuz vom Anfang des 16. Jahrhunderts. Außederdem: Tafelbild der Hl. Kümmernis (1509?) und großes Gemälde Krönung Mariä mit der Ansicht von Raiten (1790). Pietàgruppe aus dem 18. Jahrhundert als Kopie. Einige Votivtafeln aus der Zeit ab 1656; besonders interessant die Votivbilder von 1782 und 1793 mit Abbildung von Bränden in Raiten, außerdem zu beachten ist das mit Stoff bekleidete Marienbild auf dem Bild von 1782. Die Orgel aus Kloster Baumburg(?) ist seit 1870 in Raiten. Das Kirchengestühl stammt von 1692 von den Tischlern Piechl aus Wössen. Ziegelpflaster im Langhaus von 1689. Glasfenster im Chor von 1920. Im Außenbereich sind die Ölberggruppe und die Jakobusfigur in den Osen aus dem 17. Jahrhundert sehenswert.
Wegen des Raub der Kirchenfiguren in der Nacht vom 12. auf den 13. August 1973 wurden Kopien angefertigt, die natürlich den großen Verlust nicht richtig ersetzen können. Zur Sicherung der übrigen Kunstobjekte wurde unter der Empore ein Gitter angebracht, das dem Besucher zulässt, einen Blick auf die Innenausstattung und besonders auf den Hochaltar zu werfen.
Gebäude[]
In Raiten existieren noch zwei Gehöfte aus der Zeit vor dem großen Brand von 1782: Es sind der Messnerhof und der Hof Nr. 32, die 1732 und 1722 gebaut wurden. Eine weitere Sehenswürdigkeit, die das kleine Dorf bietet ist die Hammerschmiede von 1697, die besichtigt werden kann.
Natur[]
Raiten ist von verschiedenen Moorgebieten umgeben: Im Süden beginnt das Mettenhamer Filz, das parallel zur Bundesstraße 307 verläuft. Im Norden und Nordwesten liegt das Naturschutzgebiet Lanzinger Moos und ein kleines Moorgebiet um den Weiler Süssen. Zwischen Lanzing und Vogellug existiert ein Steinbruch - worunter natürlich auch das Landschaftsbild zu leiden hat. Hinter Raiten fließt die Tiroler Ache einen in Windungen um Unterwössen herum in Richtung Marquartstein. In diesem Bereich der Ache gibt es einige Sandbänke, die zum Teil breit entlang des Flusses verlaufen.
Exkurs: Filze und Moose im Chiemgau[]
Das Baierischen kennt zwei Wort für Moor: Filz und Moos. Das Nieder- bzw. Flachmoor heißt Moos. Die Hochmoore werden Filze genannt. Vermutlich kommt das Wort "Filz" von der für Hochmoore typischen "Verfilzung", die durch pflanzliche Substanzen stattfindet. Nach Ende der Eiszeit bildeten sich im Chiemgau die ersten Moore. Durch die zahlreichen Regenperioden und die gemäßigten Temperaturen entstanden die Filze (Hochmoore). Durch Verlandung von Seen schuf die Natur die Moose (Niedermoore). Zum Teil bis in die heutige Zeit sind die Moore Lieferant für Brennstoff und anderen Rohstoffen (Gartenerde, Fangopackungen als Kurmittel). Erst vor einigen Jahren ging man dazu über, die Moore unter Schutz zu stellen und so das heutige Bild der Landschaft zu erhalten. Ein gutes Beispiel dafür sind die Kendlmühlfilze. Neben diesen gibt es noch eine größere Anzahl kleinere Moore im Chiemgau, die weniger bekannt sind. Etwa folgende im südlichen Chiemgau gelegenen: Moorsee Bärnsee - Bernauer Moos - Harrasser Moos - Rottauer Filz - Weidmoos - Hackenfilze - Kendlmühlfilze - Kühwampenmoor - Chiemseemoos - Egerndacher Filze - Sossauer Filz - Wildmoos - Bergener Moos - Lanzinger Moos - Mettenhamer Filz ... und noch zahlreiche andere Moorgebiete, die zum Teil auch keinen Namen tragen.
Geschichte[]
Im 12. Jahrhundert erbaute ein Ministerialengeschlecht der Herren der Grafschaft Marquartstein auf dem heutigen Kirchhügel oberhalb des Dorfes eine kleine Burg, die in strategisch günstiger Lage die Wege im Tal überwachte. So wird um 1135 ein "Folcmar von Raiten" in einer Urkunde genannt. Die heutigen Marienkirche von Raiten dürfte wohl in der Burgkapelle des 12. Jahrhunderts ihren ersten Vorgängerbau haben. Die Burg wurde im 13. Jahrhundert aufgelöst und die Kapelle kam zur Großpfarrei Grassau. Schon im Mittelalter bekam die Kirche das sogenannte Sepulturrecht (Recht für das Anlegen eines Friedhofes) bewilligt. 1921 wurde die Wallfahrtskirche in Raiten zur Filialkirche der Pfarrei Schleching. Im 12. Jahrhundert wird der Ortsname mit "Raitene" angegeben, der mundartlich "Roatn" weißt auf den Hügel hin, auf dessen südöstliche Terrasse Raiten liegt. Es besteht keine Verbindung mit dem Wort "Reit", das auf eine Rodung hindeutet.
Kultur und Brauchtum[]
Wie bereits erwähnt gibt es in Raiten ein kleines Museum - eine alte Hammerschmiede. In der Achentalstraße 13 steht die 1697 errichtete Hammerschmiede mit funktionierendem Wasserradantrieb, zwei Eisenhämmern und einer Achswelle aus Eichenholz. Bereits 1584 wurde in Raiten die erste Schmiede erwähnt - eine Waffenschmiede. Die Schmiedetradition in Raiten soll sogar auf das Jahr 1350 zurückgehen. Für 1697 ist ein gewisser Valentin Stuffl als Schmied nachgewiesen. 1809 wechselte die Besitzerfamilie. Die Familie Pierenbacher (auch: Birnbacher) übte bis 1914 das Schmiedehandwerk aus. 1959 starb der letzte Schmied, ein Josef Fleidl, und mit seinem Tod stand auch die Hammerschmiede still. In den folgenden Jahren verfiel die alte Schmiede immer mehr, bis 1972 der Kunstmaler und Grafiker Eberhard Rach das verfallene Gebäude erwarb und es vor dem nahe bevorstehenden Abbruch rettet, der wegen dem Ausbau der Bundesstraße in Erwägung gezogen wurde. Nach mühevollen Restaurierungsarbeiten kann die Schmiede seit 1989 besichtigt werden und die alte Technik wird heute vom Besitzer dem Besucher vorgeführt. Außerdem sieht der Besucher die historische Einrichtung, Werkzeuge und Bilder und Grafiken. Besichtigung nach Vereinbarung: Tel.: 08641-7842
Bekannt geworden ist Raiten auch durch seine Trachtenwallfahrt, die vom Chiemgauer Alpenverband jährlich durchgeführt wird. 1952 begründete der geistliche Rat Pichler die Wallfahrtstradition mit einer Krieger-Dankwallfahrt, die sich mit der Zeit zu der bekannten Trachtenwallfahrt entwickelte. An Christi Himmelfahrt treffen sich die Wallfahrer in Unterwössen und ziehen dann über die Achenbrücke nach Raiten. Vor der Wallfahrtskirche Maria zu den sieben Linden wird zum offiziellen Abschluss eine Messe zelebriert.
Die ersten Wallfahrten nach Raiten gab es wohl schon im 15. oder 16. Jahrhundert. Aus dieser Zeit wird auch von einem seltsamen Brauch berichtet: Eine von der Ache vermutlich aus Tirol angeschwemmte stark beschädigten, uralte Holzfigur wurde auf dem Dachboden der Raitener Kirche aufbewahrt und dort von den Frauen aus der Umgebung unter dem Namen St. Gwer oder Gwera verehrt. Die Frauen opferten der Figur Hemden, mit denen sie die Figur bekleideten - ob es sich bei St. Gwer um die heilige Kümmernis handelt, die andernorts verehrt wurde, ist ungewiss. 1626 erstattete der Marquartsteiner kurfürstliche Pfleger in Herrenchiemsee (Bistum) Anzeige, wohin die Figur auch gebracht wurde, aber nicht wieder nach Raiten zurückkam. Wallfahrten haben im Achental lange Tradition: schon 1676 kam es in Raiten zu einer regen Marienwallfahrten, die sich jedoch auf das Gebiet der ehemaligen Großpfarrei Grassau beschränkten. Ab 1854 wurde der Brauch der Goldenen Samstage durchgeführt. Zu Ehren der Himmelskönigin Maria wurden an den Samstagen nach St. Michael (dem 29. September) in der Raitener Kirche eine Predigt gehalten und die Kommunion ausgeteilt - über mangelnde Besucher konnte im 19. Jahrhundert wohl nicht geklagt werden, denn man baute eine hölzerne Außenkanzel und einen hölzernen Speisgang (für die Kommunion). Dieser Bruch geriet jedoch mit der Zeit in Vergessenheit und existiert heute nicht mehr.
Zitat von ...[]
... dem bekannten Chiemgauer Kunsthistoriker Peter von Bomhard aus der Beilage zum Schnell & Steiner Führer "Chiemgau":
"Raiten. Gebirgsdorf mit schönen alten Bauernhäusern. Malerisch am Rand des Bergwalds gelegene Wallfahrtskirche U(nserer) L(ieben) Frau zu den sieben Linden, hervorgegangen aus einer romanischen Burgkapelle. Chor spätgotisch. Stimmungsvoller Bergfriedhof."
... Peter von Bomhard/Sigmund Benker aus dem Kunstführer Nr.889 "Schleching", Regensburg, 1994 (Seite 21):
"Die kleine, schmale und sehr altertümlich wirkende Kirche steht landschaftlich romantisch auf dem bewaldeten Steilhügel über dem Dorf, umgeben vom kleinen, stimmungsvollen Bergfriedhof und alten Lindenbäumen."